Es ist ein wenig peinlich. Ich muss mich bei Vanessa Redgrave entschuldigen und bei ein paar anderen Leuten. Die haben mir in Wirklichkeit gar keine versauten Mails geschrieben, das waren andere Menschen, die nur so getan haben, als wären sie prominente Schauspieler. Es handelt sich um »spezielle Post an Magdi«, abgekürzt wird das mit »Spam«.
Mittlerweile habe ich mich an diese Spam-Mails gewöhnt. Was heißt gewöhnt? Ich mag sie. Ich mag sie sogar gern. Ach was – ich liebe sie! Man liest »Gorgeous blonde babe plays with a long dildo music«, und sofort wird die Fantasie angeregt: Wie klingt wohl diese Musik und wo kann man sie sich anhören?
Eine Mail mit dem beruhigenden Absender »Bank« schreibt: »Bitte Geld Abholen!!«, und für einen kurzen Moment freut man sich einfach. Ganz zu schweigen von den vielen Investment-Angeboten aus Nigeria, Liberia und anderen vertrauenserweckenden Volkswirtschaften. »Mr. Benitez has $200,000.00 for you«, lese ich, und das ist toll, denn ich kenne Mr. Benitez noch nicht einmal. Und ein gewisser Herr Provencher Mushumanski lockt mit der Information »T2Y.F ist 300% gestiegen. Es wird 500% Kurssprung erwartet.« Wenn ich da die 200 Riesen von Mr Benitez anlege! Ist das nicht Wahnsinn? Und vor allem: Was ist T2Y.F?
Auf der Straße liegt das Geld wohl nicht, aber offenbar im Internet. So erfahre ich vom »Suchen der Manager in Deutschland«. Die Manager suchen, und ich finde pures Gold: »Heute mochten wir den einzigartigen Geschaft Antrag unserer Firma verkunden, die wurdevoll ist und Geld verdienen. Dieser Antrag kann nicht nur die Einzelpersonen interessieren, die fur ihr Gewicht sich interessieren, aber auch fur wem, die nach Nebeneinkommen suchen.« Und wer will das nicht?
Aber nicht nur neue Geschäftsfreunde tauchen am Horizont auf, auch die liebe Verwandtschaft grüßt per Mail. Meine »Tante Angelika« schreibt: »Ich habe von Tante Silvia Deine Mailadresse erhalten und möchte Dich bitten, damit wir auch in Zukunft schneller Kontakt aufnehmen können, Deine Daten in meinem Adressbuch zu überprüfen.« Das ist wundervoll, denn ich kannte bisher weder meine Tante Angelika noch meine Tante Silvia. Vielleicht handelt es sich um Tanten von Mr. Benitez.
Ja, wer sind all diese kontaktfreudigen Menschen aus allen Ecken der Welt, die mir schreiben und Gagnonn Rahmanian und Kreem Ratansac heißen, Tung Klenetsky und Lindsey Fuxa? Gibt es tatsächlich eine Guadalupe Slaughter? Einen Bogart Bertie? Manche nennen sich sogar Magdi Anwar oder Magdowski – wohl um mir eine Freude zu bereiten und Vertrauen einzuflößen. Sogar ein Doktor Magdulari hat sich gemeldet.
Ja, ich habe Spaß an Spam und lerne täglich Neues. Allein schon, wie mir die Betreffzeilen den Wortschatz erweitern. »Ajuletso«, lese ich da und »Ukodiab«. Was steckt wohl hinter »Gnuzlawb«, »Tamissub« und »Iravrap«? Ist »Aauhrak« ein Inuit-Begriff, und wo liegt »Osteiden«? Wahrscheinlich handelt es sich oft um Anzüglichkeiten, zumindest klingen »Sletfneu« und »Eirolgeg« recht versaut, ganz zu schweigen von »Riilufik«.
Denn natürlich geht es im Internet um Sex, das habe ich längst gemerkt. Man wird geködert durch den Betreff »Ihre Bankverbindung« und liest dann »Lehn Dich bequem zurueck und geniesse die besten und schaerfsten Erotikfilme dir Du je gesehen hast.« Eine weitere »Bank« widmet sich dem »Reiten auf dem Schaltknauf«. Gewiss zu guten Konditionen. Ich sollte aber vorher Mr. Benitez fragen. Oder seine Tanten.
Um ehrlich zu sein: Das finde ich dann doch etwas unlauter. Ich schätze nämlich klare Verhältnisse. Absender wie »Penis« und »Normal Sexual« – da weiß man, was man hat. Genauso bei: »Ihre Nachbarin verdient sich mit Nacktbildern Ihr Geld«? Alles klar! »Von Null auf total hemmungslos«? Aber unbedingt!
Ja, es geht wirklich nichts über klare Worte. Ehrliche Angebote: »Real nice incest women«, »We export Tuna, a fish variety, to Japan and China«, »Der Nikolaus kommt auch zu StripTV« – da bleiben keine Fragen offen. Allerdings wirken einige Angebote doch überzogen: »We cure any disease« etwa. Aber natürlich ist da schwer zu widerstehen: »Reverse your aging process, Magdi!«
Doch meistens geht es um Sex. Um größer, fester, länger, härter. Wer seinen Spam aufmerksam liest, ist einiges gewöhnt in Sachen Penisverlängerung und Potenzsteigerung; man meint, alles schon zu kennen. Und so zuckte ich neulich zusammen, als mir ein Herr Kastner von Teschenthal schrieb: »Betr.: Stufenlos einstellbar von 42 cm – 62 cm«. Unvorstellbar. Was für ein hammerhartes Gerät! Was für ein enormes Teil! Das musste ich dann doch genauer wissen und öffnete die Mail. Es ging um »unschlagbar gute höhenverstellbare Hocker mit Gasdruck«.